Wie die Thai nach Thailand kamen: Eine Geschichte von Migration und kulturellem Austausch

Phra Pathommachedi
Die Wanderung der Thai nach Südostasien

Die Geschichte Thailands ist geprägt von Migrationsbewegungen und kulturellem Austausch. Nach verbreiteten Theorien wanderten die Thai im 7. bis 9. Jahrhundert aus dem südlichen China und nördlichen Vietnam in das heutige Thailand. Ihr Ursprung wird im Gebiet um den Roten Fluss sowie in den Provinzen Guizhou und Guangxi verortet. Mit sich brachten sie fortschrittliche Kenntnisse des Reisanbaus und damit einhergehende gesellschaftliche Strukturen.

Ausbreitung der Tai-Sprache von China aus

Die Thai organisierten ihre Gesellschaft in sogenannten ‚Müang‘, was Verwaltungsbezirke waren, die oft ein städtisches Zentrum und umliegende Dörfer umfassten. In den Dörfern betrieben unabhängige Familien Landwirtschaft, während im Zentrum eine Aristokratie die politische und administrative Führung übernahm. Diese Elite regelte gesellschaftliche und ökonomische Fragen, insbesondere jene, die den Reisanbau betrafen. Zudem verfügte sie über militärische Kräfte und errichtete oft befestigte Stadtzentren zum Schutz der Bevölkerung.

Das Königreich Dvaravati: Die Mon und ihr Erbe
Siedlungsraum der Mon

Parallel zur Einwanderung der Thai etablierte sich ab dem 6. Jahrhundert das Königreich Dvaravati, gegründet vom Volk der Mon. Mit der Hauptstadt Nakhon Pathom, die der Überlieferung nach mehr als 2000 Jahre alt sein soll, erstreckte sich Dvaravati über weite Teile des heutigen Zentral- und Nordostthailands. Es bildete eine lose Föderation von Stadtstaaten und spielte eine bedeutende Rolle als Vermittler indischer Kultur in Südostasien.

Ein bedeutendes Zeugnis dieser Zeit ist der Phra Pathommachedi1 in Nakhon Pathom. Legenden datieren seinen Ursprung ins 3. Jahrhundert v. Chr. und verbinden ihn mit der Missionstätigkeit Kaiser Ashokas, doch archäologische Funde sprechen für eine Entstehung im 4. Jahrhundert n. Chr. In der Blütezeit Dvaravatis vom 6. bis 8. Jahrhundert war er eines der wichtigsten Heiligtümer der Region. Die heutige Struktur des Bauwerks ist das Ergebnis zahlreicher späterer Umbauten.

Phra Pathommachedi: In der jetzigen Form 1870 fertiggestellt

Im Gegensatz zu späteren Reichen war Dvaravati keine zentralisierte Monarchie, sondern ein Verbund autonomer Stadtstaaten. Diese Struktur ermöglichte es den einzelnen Städten, ihre eigenen Traditionen zu bewahren und gleichzeitig von einem übergreifenden kulturellen Austausch zu profitieren. Die Archäologie hat zahlreiche Siedlungen identifiziert, die durch gemeinsame kulturelle Merkmale verbunden waren, darunter charakteristische Münzen, Rad-des-Gesetzes-Skulpturen2 und eine distinktive Kunsttradition.

Dvaravati adaptierte und verbreitete verschiedene Aspekte indischer Zivilisation, darunter buddhistische und hinduistische Religionspraktiken, Schriftsysteme, Rechtsvorstellungen und Verwaltungsformen. Diese kulturelle Synthese prägte nachhaltig die Entwicklung der gesamten Region. Das Reich blühte vom 6. bis zum späten 11. Jahrhundert und beeinflusste nachhaltig die Kulturen der Khmer, Burmesen und Thai in Bereichen wie Schrift, Kunst und Verwaltung.

Der Niedergang von Dvaravati und sein Einfluss auf spätere Reiche

Trotz seiner kulturellen Bedeutung blieb Dvaravati politisch oft im Schatten mächtigerer Nachbarn. Im 10. Jahrhundert geriet es unter den Einfluss des expandierenden Khmer-Reiches, was schließlich zu seinem Niedergang führte. Viele kulturelle Errungenschaften überdauerten jedoch und prägten die nachfolgenden Reiche.

Si Thep Historical Park

Die Erforschung Dvaravatis basiert hauptsächlich auf archäologischen Funden, da schriftliche Quellen rar sind. Ausgrabungen haben beeindruckende Artefakte zutage gefördert, darunter kunstvolle Buddhastatuen, Terrakotta-Skulpturen und aufwendig gestaltete Architekturelemente. Diese Funde zeugen von einer hochentwickelten Kultur, die einen wichtigen Beitrag zur Formung der südostasiatischen Zivilisation leistete.

Die Besiedlung und kulturelle Entwicklung Thailands erstreckte sich über Jahrtausende. Aus einfachen Siedlungen entstanden komplexe Gesellschaften und frühe Staatsgebilde. Der Begriff ‚Müang‘, der damals für Verwaltungsbezirke stand, wird bis heute sowohl für Bezirke als auch für administrative Zentren verwendet.

Diese frühen Entwicklungen bilden das Fundament der heutigen thailändischen Kultur, die Einflüsse vieler Völker und Epochen in sich vereint. Sie zeigen die Anpassungsfähigkeit und den Innovationsgeist der Menschen in Südostasien. Das Erbe Dvaravatis prägt bis heute die kulturelle Identität Thailands.

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Bildnachweis:
Karte Tai-Sprache: Wikimedia Commons, Mendduets.
Karte Mon: Wikimedia Commons, Heinrich Damm.
Si Thep Historical Park: Wikimedia Commons, Ddalbiez.
Weitere Bilder: eigene Aufnahmen.

  1. Ein Chedi ist ein buddhistischer Stupa, der als Reliquienschrein dient. Er hat oft eine charakteristische, kuppelförmige oder spitz zulaufende Struktur und beherbergt in der Regel religiöse Artefakte oder Überreste, wie Asche von Mönchen oder heiligen Persönlichkeiten. Chedis sind zentrale Bauwerke in vielen buddhistischen Tempelanlagen in Südostasien. ↩︎
  2. Das Rad des Gesetzes (Dharmachakra) ist ein buddhistisches Symbol, das die Lehren des Buddha und den Kreislauf des Lebens und der Wiedergeburt darstellt. Mit seinen acht Speichen steht es für den Achtfachen Pfad, den Weg zur Erleuchtung. ↩︎

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