Sunthòn Phu, der thailändische Goethe

Sunthòn Phu

Das Thailand des frühen 19. Jahrhunderts erlebte eine Epoche des Wandels – politisch, kulturell und gesellschaftlich. Inmitten dieser Umbrüche wirkte Sunthòn Phu, der sich zum bedeutendsten Dichter seines Landes entwickeln sollte. Geboren 1786, durchlief er eine bemerkenswerte Laufbahn, die von literarischen Triumphen, persönlichen Krisen und unerwarteten Wendungen geprägt war.

Sunthòn Phu erlebte den Aufstieg und Fall königlicher Gunst, die Härte des Gefängnislebens und die Freiheit künstlerischen Schaffens. Sein Weg führte ihn vom einfachen Hofangestellten zum gefeierten Hofdichter, vom Mönch zum Kaufmann und schließlich zum hochgeehrten Literaten. In seinen Werken spiegeln sich nicht nur persönliche Erfahrungen, sondern auch die gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit wider.

Am Hofe Ramas I. nahm Sunthòns Werdegang seinen Anfang. Dort entflammte seine Zuneigung zu Jun, einer Angehörigen des Königshauses. Diese Verbindung, ein Affront gegen gesellschaftliche Normen, mündete in beider Arrestierung. Erst das Ableben des Regenten führte zu ihrer Begnadigung.

In der Haft entstand „Nirat Mueng Grang“, eine lyrische Reiseschilderung, die zu den bedeutendsten Werken des Poeten zählt. Nach der Freilassung ehelichte Sunthòn seine Geliebte Jun, und unter Rama II. avancierte er zum Hofdichter. Diese Blütezeit währte jedoch nur kurz. Eine Liaison außerhalb der Ehe führte zum Bruch, gefolgt von einer Phase der Trunksucht.

Phra Aphai Mani

Eine neuerliche Inhaftierung markierte einen Wendepunkt: Im Kerker begann Sunthòn sein Hauptwerk, die Erzählung über den Prinzen Aphai Mani. Diese Dichtung, die Abenteuer und Romanzen vereint, reflektiert mutmaßlich Sunthòns eigene Lebenserfahrungen. Der Held des Epos durchstreift das antike Thailand, entscheidet Schlachten mit seiner verzaubernden Flöte und erlebt vier Ehen mit teils tragischem Ausgang.

Sunthòns scharfzüngiger Intellekt brachte ihm nicht nur Bewunderung ein. Seine öffentliche Beanstandung eines Gedichts von Rama III. kostete ihn seinen Adelstitel. Er zog sich daraufhin aus dem Rampenlicht zurück und wurde zeitweilig Mönch und Händler.

Erst unter der Herrschaft Ramas IV. erfuhr Sunthòn eine späte Anerkennung. Auf Ersuchen der Prinzessin vollendete er sein Epos über den Prinzen Aphai Mani. Als Lohn erhielt er erneut einen Adelstitel und wurde zum Leiter der königlichen Schreibstube berufen.

1855 verstarb Sunthòn Phu. Sein Œuvre, das traditionelle Formen mit neuartigen Elementen verknüpfte, beeinflusst bis heute die thailändische Literaturlandschaft. Sein Lebensweg, gekennzeichnet durch Aufstiege und Niedergänge, gewährt fesselnde Einblicke in die kulturellen und gesellschaftlichen Umwälzungen Thailands zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sunthòn Phu hinterließ ein Vermächtnis, das weit über seine Zeit hinausreicht und ihn zu einer Schlüsselfigur der thailändischen Kulturgeschichte macht.

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Bilder: Wikimedia Commons

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